
Der Haschplanet
Der Weltraum. Unendliche Leere mit ein wenig Staub darin.
Zwölf Jahre lang war die sechs Hundertschaften starke, schnauzbärtige Besatzung der „Patrona Bavariae“ bereits unterwegs, um neue Welten und neue Zivilisationen zu entdecken. Der Planet, den sie nun vor sich hatten, trug die Nummer 18043 – Z 56.
Wie gewohnt hatte sich das schwere Raumschiff der Bayrischen Ministerialweltraumbehörde in den Orbit eingeschwenkt, um von dort den neu entdeckten Himmelskörper zu analysieren und zu spezifizieren. Sei es der Katalysator der chemischen Prozesse welche den Niesreiz eines Tieres auslösten oder die exakte Durchschnittshöhe aller Grashalme, der Bordcomputer ermittelte alle biologischen, geologischen, meteorologischen und sonstwielogischen Daten eines Planeten.
Emsig gingen die Raumfahrer auf der Brücke gerade ihren Arbeiten nach, als sich die quietschende Schiebetür öffnete und Kommandant Schmalzbauer schnaufend den Kontrollraum betrat, umgehend einen Zwischenbericht verlangend. Er ließ seinen außergewöhnlich schweren Leib in den Kommandantensessel fallen. Der erste Offizier Sepp war Hamburger, wurde wegen seiner ganzen Lebensart von der Mannschaft nicht für voll genommen – so trank er zum Frühstück Milch statt Bier. Doch in Krisensituationen hatte er sich mit seiner sachlichen Nüchternheit bereits mehr als einmal als Retter in der Not erwiesen. Nun erstattete er seinem Kapitän Bericht.
Auf der Oberfläche von 18043 – Z 56 war in allen Regionen bester, fruchtbarer Boden zu finden, landwirtschaftlich kultiviert und durch ein kompliziertes Bewässerungssystem versorgt. Obwohl hier offenkundig organisiert Ackerbau betrieben würde, war nicht das geringste Anzeichen eines intelligenten Lebewesens auf dem gesamten Planeten zu finden. Lediglich einige niedrig entwickelte Tierarten – Einzeller und Gewürm – wurden vom Bordcomputer ermittelt. Es gab einige ganze Zahl kleiner, identischer Kugelbauten, jedoch hatten die Scanner sie nicht analysieren können. Die als einziges kultivierte Pflanze war – und hier legte Sepp eine kleine Pause ein und holte Luft – Marihuana mit einem hohen Anteil an rauscherzeugenden Stoffen. Die „Bavariae“ kreiste um die größte, bekannte Drogenplantage der Galaxis. Sie hatten es hier mit einer unbekannten Rasse von Straftätern zu tun, sie mussten intervenieren. Die Augen der Männer blitzten böse auf den Großbildschirm, der den grünen Planeten mit seinen Süßwassermeeren zeigte.
Schmalzbauer entkam ein Schreckensfurz, denn ein Erkundungstrupp musste runter gebeamt werden, selbstverständlich mit dem Kapitän voran. Er hasste diese Einsätze, manchmal mussten sie mehr als hundert Meter rennen oder durch schmale Türen gehen. Sepp und Doktor McPharma würden ihn begleiten. Ohne Schiffsarzt ging er nirgendwo hin. Wenn der Trupp in eine ausweglose Situation geriet, waren seine Pillen stets das einzige, was Schmalzbauer noch auf den Beinen hielt. Zwar konnte er sich nach deren Einnahme an nichts mehr erinnern, aber die anderen erzählten ihm bei der Rückkehr von sagenhaften Heldentaten und einem enormen Erfolg bei Frauen und so kam es auch ins Bordbuch.
Eine halbe Stunde später materialisierten die drei und ein Mann der Sicherheit auf der Oberfläche. Tatsächlich waren hier weit und breit nichts anderes als die haarigen Stängel von gut zehn Meter hohen Cannabis-Pflanzen zu sehen. Der Boden zwischen ihnen war braun und sah aus wie asphaltiert, denn er war mit einer dicken Harzschicht bedeckt. Im Unterholz sahen sie eine zwei Meter lange Nacktschnecke und gruselten sich, die Bienen in der Luft hatten aber eine normale Größe. Die Männer bewegten sich vorsichtig durch das Labyrinth von Pfaden, das ein Gestrüpp aus alten, heruntergefallenen Pflanzenteile durchzog. Der Bordcomputer hatte eine technische Einrichtung in der Nähe ihres Landungspunktes geortet und Sepp befahl dem Sicherheitsmann, eines dieser Ungetüme zu besteigen und sich umzuschauen. Sein Interesse galt in erster Linie den konspirativen Geschöpfen, die unbemerkt von der Menschheit und der bayrischen Ministerialweltraumbehörde diesen illegalen Planeten eingerichtet hatten.
Doch diese Aktion endete in einem Fiasko. Bereits beim Hochklettern fing der Mann an zu meckern, über die Mühsal des täglichen Dienstes und das langweilige Leben an Bord. Oben angekommen beschrieb er die Schönheit der Landschaft mit den Bergen im Hintergrund, anstatt gezielt Informationen zu liefern. Dann begann er einen Horst in einer Astgabel zu bauen, während er zur Begleitung ein fröhliches Lied anstimmte. Er reagierte nicht mehr auf die verzweifelten Rufe seiner beiden obersten Vorgesetzten und auch nicht auf die mahnenden Worte des besorgten Schiffsarzt, er war nicht mehr er selbst. Sepp musste ihn mit einem kurzen Phaserstrahl in Antimaterie verwandeln, denn es hätte gefährlich werden können. Kommandant Schmalzbauer war erschüttert. Würden diese Stoffe sich verbreiten, wäre die Nutzung der Galaxis durch den Menschen nicht mehr denkbar.
Die beiden Offiziere ließen sich nun von der „Bavariae“ Orientierungshilfe geben und schlichen geduckt durch die Pflanzenreihen, stets bedacht, den süßlich duftenden Blüten nicht zu nahe zu kommen. Manche der bis zu drei Meter großen Fruchtstände drückte durch ihr Eigengewicht die gesamte Pflanze zu Boden. Etwas weiter vorne schimmerte Licht zwischen den Pflanzenstämmen hindurch und nach einer Weile kamen sie tatsächlich an eine Lichtung, in deren Mitte ein einstöckiges Gebäude stand. Der Rundbau hatte Ähnlichkeit mit einem Sakralbau, denn er war reich mit zapfenförmigen, funkelnden Bausteinen verziert. Ein eigenartiger Geruch mischte sich mit dem Blütenduft der Haschbäume.
Kommandant Schmalzbauer musste unwillkürlich an ein kaltes, frisches Maßbier denken. Der Schweiß rann in dicken Strömen an seinen dicken Beinen herab. Er wollte das Ding untersuchen und so schnell wie möglich wieder zurückbeamen, in seiner Kabine stand ein Pornofilm auf Pause, den er noch zu Ende schauen wollte. Der Trikorder piepte und hupte auch bereits in Sepps Händen, der nach Abschluss des Analysevorgangs verdutzt in die Runde schaute. Fassungslos unterrichtete er die anderen, das sich in dem Gebäude Sudoku-Rätsel befinden würden. Der Kommandant riss ihm das Gerät aus den Händen und starrte auf den Monitor. Der behauptete nun es wäre mit nackten Frauen gefüllt. Offenbar hatten die Haschpflanzen auch eine halluzinogene Wirkung auf Computerchips.
Es musste hier einen Kontrollraum geben. Sie umrundeten den Kuppelbau einmal und dann nochmals genau, erkundeten die nähere Umgebung bis auf das letzte Blatt und ließen die „Bavariae“ erneut tüchtig analysieren, jedoch ohne auch nur die Spur eines Eingangs zu finden. Der einzige Weg der jetzt noch blieb war der auf das Dach der Kuppel. Der Schreckensfurz des Kommandanten war immens. McPharma bemerkte hier in der freien Luft süffisant, die Lage sei noch nicht ernst genug für eine Pille und Schmalzbauer stand vor einer der größten Herausforderungen seiner Karriere. Sepp war wild entschlossen diesen ominösen Planeten aufzuklären und die galaktischen Vorschriften gaben ihm Recht. Sie mussten also einen Weg in das Innere finden.
Und so begann sie den Aufstieg, indem sie sich an den hervorstehenden Verzierungen empor hangelten, der über die Maßen schwitzende und stöhnende Kommandant voran, seine Schiffsoffiziere hinterher, ihn am Hosenboden hoch wuchtend. Gottseidank wurde es über die Kuppel immer leichter und bald schon standen sie auf der Spitze der Kuppel. Allerdings nur einen kurzen Moment, dann öffnete sich unter ihren Füßen ein Riss und sie stürzten in die Tiefe, platschten nach kurzem Fall in eine gelbe Flüssigkeit. Die hilflos herum planschenden Weltraummatrosen schäumten die Brühe auf, hatten beim Verschlucken einen bitter-süßlichen Geschmack im Mund und ebenso roch die Luft. Sie schwammen in Bier. Sie waren in eine riesige Bierfalle für die Riesenschnecken geraten, zwei der Ungetüme schwammen im Bassin. Von McPharma war schon nichts mehr zu sehen, der Kommandant schrie noch laut auf, das er nicht schwimmen könne, bevor sein untergehender Leib sich an Sepps Füße krallte und ihn mit in die Tiefe zog.